„Gärten zwischen Algier und Berlin“ ist auch eine Liebeserklärung an Hannover
In keiner anderen Stadt realisierte der Landschaftsarchitekt Kamel Louafi so viele umfängliche Projekte wie in Hannover. Der Titel eines neuen Buches über seinen Werdegang, „Gärten zwischen Algier und Berlin“ lässt dies bezeichnenderweise aus, denn eine andere Botschaft soll im Vordergrund stehen: die Entwicklung zu einem Weltbürger, der Brücken zwischen Orient und Okzident schlägt. Doch sein Inhalt kreist häufig um die eine glückliche Fügung im Berufsleben des Algeriers, der sich von seiner Wahlheimat Deutschland aus zur ästhetischen Landschaftsgestaltung berufen fühlte: Für alle überraschend, für ihn selbst ganz unerwartet, gewann er den Wettbewerb für die Schöpfung der Freiräume zur EXPO 2000 in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Es war das größte Planungsvorhaben, „das die Bundesrepublik je gesehen hatte“, schreibt Autor Stefan Leppert. Die Teilnahme eines Mannes, der nach dem Studium an der TU Berlin in einem Büro als Bauleiter keine Festanstellung hatte und für ein Stundenhonorar jobbte, ein „aussichtsloses Unterfangen“, eine „Don Quichotterie“, ja geradezu „drollig anmutend“. Aber von einem Moment zum nächsten, als die Jury der Weltausstellung am 19. April 1996 ihre Entscheidung verkündete, war Louafi „vom Niemand zum Jemand“ geworden.
Der in Batna geborene Louafi, gelernter Kartograph in Algerien, war zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt und hatte sich gegen 50 Konkurrenten aus dem In- und Ausland durchgesetzt. Die Flächendimensionen, die er bespielen sollte, waren gigantisch. Allein die später „Gärten im Wandel“ genannten eigentlichen EXPO-Bereiche umfassten 36.000 m2. Hinzu kamen der „EXPO-Park Süd“, und der „Park Agricole“. Alle Teilflächen sind heute noch, wie damals angelegt, erhalten geblieben. Das einstige Wagnis war komplett, und freimütig ließ Louafi in den Interviews, die dem Buch als eine Grundlage dienten, wissen: „Ich hatte einen VW-Polo, sonst nichts. Kein Geld auf dem Konto, keine Leute für das Projekt, wie sollte ich so eine Weltausstellung auf die Beine stellen. Ich bekam es mit der Angst.“ Nach den Worten von Leppert müssen die Entwürfe des Landschaftsarchitekten aber umwerfend gewesen sein. Louafi borgte sich Geld, da die EXPO keinen Vorschuss gewährte, stellte Personal ein und legte los. Als zum 1. Juni 2000 der damalige Bundespräsident Johannes Rau eröffnete, war die Mammutaufgabe gestemmt.
Eine mutige Strategie: nach dem Erfolg der EXPO Hannover 2000 nur auf Wettbewerbe setzen
Der Erfolg ermutigte ihn, sich im Anschluss an Hannover für die weitere Karriere mit dem Büro in Berlin-Kreuzberg nur auf Wettbewerbe zu beschränken. Mit diesem Entschluss ging er künftig der aus seiner Sicht lästigen Kombination von (Hochbau-) Architekten, Städteplanern und seiner Expertise aus dem Weg. Wenn man seinen Stil gefunden habe, der sich bei Louafi auf eine betont künstlerische Aussage bewegte und unter anderem in der ornamentalen Arabeske ein landschaftsverschönerndes Stilmittel fand, habe man kein Verständnis mehr für Kompromisszwänge und die teils herabsetzenden Meinungen anderer Beteiligter. Die Strategie funktionierte, „was nur bei den allerwenigsten Büros der Fall war, ist und sein wird“, betont Leppert.
Das im Verlag Leuenhagen & Paris erschienene Buch führt eine Reihe von Projekten auf, in denen sie aufging. Darunter sind die Place de la Résistance im luxemburgischen Esch-sur-Gazette, in deren Mitte kunstvolle Bronzesofas die Form der Eibenhecken spiegeln oder der von kunstvollen Wasserspeiern besiedelte Königsplatz in Kassel. Louafi schuf die Freianlagen für das „in seiner Zartheit beklemmende“ Mahnmal Klinkerwerk im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen (mit Dörte Eggert-Heerdegen), den Orientalisch-Islamischen Garten in Berlin-Marzahn als „Echo aus dem Paradies“, die Wasserlandschaft und kunstvolle Pflasterung an der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi oder den mit arabesken Broderien erneuerten Opernplatz in Hannover. Überhaupt Hannover. Neben den diversen EXPO-Anlagen gehen auch der Trammplatz vor dem Neuen Rathaus und der Welfengarten auf seine Entwürfe zurück. Auf die Frage Lepperts nach seiner Lieblingsstadt antwortete Louafi schnell, er könne sich eine Übersiedlung dorthin vorstellen, „dort gefällt es mir“.
„Gärten zwischen Algier und Berlin“ adressiert nicht nur Erfolge des eingewanderten, kommunikationsfreudigen Deutsch-Algeriers, sondern auch die unschönen Erfahrungen: Dazu zählen Gefühle des Fremdseins in Zeiten, in denen der Muslim Louafi Antihaltungen gegen den Islam persönlich spürte und auch manche Enttäuschung, die er von Berufsverbänden erfuhr, die ihn ignorierten. Kamel Louafi, der für seine ‚Orient trifft Okzident‘-Verständigung im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz erhielt und auch manchen anderen Preis für sein Werk einheimste, ist heute 72 Jahre alt. Ein ‚Ruhe’stand liegt ihm nicht. Er widmet sich der Vermittlung seiner planerischen Visionen, präsentiert seine Arbeit in Ausstellungen, hält Vorträge und initiiert Planungsworkshops in Deutschland, Europa und Nordafrika. Im Februar 2025 ist er an der Leibniz Universität Hannover beratend für die Abschlusspräsentation eines Entwurfskurses von Architekturstudierenden zu Gast. Dann sind es nur noch ein paar Monate bis zum 25jährigen Jubiläum seiner EXPO 2000.
Louafi hat dem Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) seinen Vorlass übergeben. Sie werden von der Technischen Informationsbibliothek bewahrt und stehen für Forschungszwecke zur Verfügung.